Der kleine Engel Benedikt

 

Benedikt, der kleine Engel mit den roten Pausbäckchen, war überglücklich. Dieses Jahr war er doch tatsächlich von der Himmelskommision aus der Schar der Engel für eine heiß begehrte Aufgabe ausgewählt worden, nämlich am Heiligen Abend dem Weihnachtsmann beim Verteilen der Geschenke helfen. Wirklich überglücklich war er.

Schon seit Wochen wurde in der Himmelswerkstatt über nichts anderes gesprochen als darüber, wer am 24. Dezember mit auf die Erde dürfte.

Dem Weihnachtsmann zu helfen, war etwas ganz Tolles, etwas ganz Besonderes. Schon die Fahrt mit dem Schlitten und den Rentieren davor - allen voran Rudolf - war ein außergewöhnliches Erlebnis. Klar war leider auch, dass viele kleine Engel gebraucht wurden, um die Himmelswerkstatt wieder aufzuräumen, das Chaos zu beseitigen, das durch die Arbeiten für Weihnachten in den Werkstätten und in den Bäckerei entstanden war. 

Es mussten ja auch die Wolkenbetten ausgeschüttelt und die Sterne blank geputzt werden - viele Arbeiten standen an. All die nicht immer geliebten Arbeiten, die irgendwann gemacht werden mussten.

 

Alle Kinder wissen, wovon hier die Rede ist. Und darum träumten alle Engel davon, einmal als Helfer des Weihnachtsmanns mit auf die Erde zu dürfen.

Benedikt hat es also geschafft , dieses mal war er ausgesucht worden. Sein Glück war für ihn unfassbar. Wo er doch dieses Jahr sehr oft in der Weihnachtsbäckerei ermahnt worden war, nicht so viel vom Teig und von den Plätzchen zu naschen. Es war nicht so, dass der aufsichtsrührende Engel es ihm nicht gönnte; jedoch waren seine Wangen unseres kleinen Benedikts schon ganz schön gerundet, und das Bäuchlein wurde auch schon ein wenig kugelig.

Man kann sagen, Engel Benedikt war ganz groß darin, Sätze wie „Benedikt, gleich kriegst du Bauchweh!“ zu überhören. Und die Rangelei mit seinem Freund dem Engel Elias, weil dieser ihn „Mops“ genannt hatte, hatte er auch in die hinterste Schublade seines Denkens gepackt. Allzu viele Ermahnungen bedeuteten nichts Gutes, bedeuteten letzten Endes das Verbot einer Lieblingsbeschäftigung, meistens für eine ganz schön lange Zeit. Na, da hatte man wohl dieses Jahr ein Auge - wenn nicht sogar zwei -  zugedrückt!

 

Pünktlich am 24. Dezember stand der Schlitten mit den Rentieren, die mit den Hufen scharrten, vor dem Himmelstor. Viele Engel hatten sich versammelt, um ihnen nachzuwinken. Der Weihnachtsmann ließ die Peitsche knallen und mit lautem Schlittenglocken-Geläut ging es auf einem exta breitem, glitzerndenund glänzenden Mondstrahl hinunter auf die Erde.

Rudolf versuchte sich in ein paar Extrasprüngen - er hatte wohl zu lange im Stall gestanden -, was den den Schlitten kurzfristig auf einen Zickzack-Kurs brachte. Engel Benedikt fand das toll. Es würde ein langer Abend werden mit vielen Arbeitsstunden, und so hatte der Weihnachtsbäckerei-Engel Benedikt die goldene Himmelsnaschdose voller köstlicher Leckereien, wie Marzipankartoffeln, Schokoladenlebkuchen, Zimtsternen und Butterspekulatius, zur Stärkung mitgegeben und beim Füllen hineingetan, was Benedikt am liebsten mochte. 

Selig drückte drückte er sie nun mit seinen dicken Patschhänden an sein Bäuchlein und kuschelte sichhöchst zufrieden ein wenig an den Weihnachtsmann, um sich im nächsten Moment wieder kerzengerade aufzusetzen… schließlich war als „Weihnachtsmann-Helfer-Engel“ schon beinahe ein großer Engel.

 

Auf der Erde sah es so schön aus. Es schneite sacht - die dafür zuständigen Engel hatten wohl doch noch ein paar Tonnen voller Schnee im äußersten Winkel des Himmelsgefrierraums gefunden.

Der Schnee knirschte leise beim betreten der Wege. Sanft leuchtete das Licht aus den Häusern und ließ den Schnee auf Straßen, Häusern und Bäumen glitzern.

Kirchenglocken läuteten und verbreiteten festliche Stimmung. Sogar der Wind hatte sein ansonsten stürmisches Temperament gezügelt und war kaum spürbar. Engel Benedikt vermutete, er war auf dem Weg, sich zur Ruhe zu legen. Schon viele Stunden waren der Weihnachtsmann und sein kleiner Helfer unterwegs. 

Die Freude der Kinder, ihre glänzenden Augen, die friedliche Stimmung von alten und jungen Menschen, der milde Glanz der Kerzen aus den Wohnstubenfenstern hatte ihnen immer wieder neue Kraft gegeben.

Jetzt hatten sie nur ein einziges, nicht allzu großes Geschenk zu einer Wohnung im letzten Wohnblock einer Straße zu bringen.

Schon ein bisschen ermüdet gingen der Weihnachtsmann und Engel Benedikt am Fenster dieser Wohnung vorbei. Das Fenster war einen Spalt zum Lüften geöffnet worden. Engel Benedikt sah in das Wohnzimmer.

Der Weihnachtsmann und er sahen ein Ehepaar mit einem kleinen, etwa sieben Jahre alten Jungen. Der Junge sah sehr dünn und blass aus, und beide Eltern stützten ihn liebevoll, als sie vom Esstisch zum Sofa gingen. Gerade beugte sich die Mutter über ihn und sagte: „Was für ein gluck für uns, dass du schon zu Weihnachen wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden konntest!“ „Ja, Mama“ sagte der Junge, „das ist für mich das größte Geschenk. Mehr brauche ich gar nicht.“ „Na, so ganz wird der Weihnachtsmanndich wohl nicht vergessen haben“, sagte der Vater zu seinem Sohn.

Der Weihnachtsmann ging zur Wohnungstür, um das kleine bescheidene Paket hinzulegen. „hier, leg die Keksdose dazu“, flüsterte Engel Benedikt und hob seine kleinen Arme mit den Köstlichkeiten in die Höhe, um sie den Weihnachtsmann zu geben. 

Es war sein voller Ernst und tat ihm überhaupt nicht - na ja vielleichten winzig kleines bisschen - leid, was er aber ganz schnell unterdrückte.

 

„Danke, Bene, gut gemacht!“ flüsterte der Weihnachtsmann und strich Engel Benedikt sacht über den Kopf. Die Wangen des kleinen Engels glühten vor Stolz. „Bene“ hatte der Weihnachtsmann zu ihm gesagt. „Bene“ sagte sonst immer nur das Christkind zu ihm, wenn es ihn für etwas besonders liebevolles Verhalten lobte.

 

Nachdem der Weihnachtsmann nun alle Geschenke verteilt hatte, begaben sich beide auf den Weg zum Rentierschlitten, um die Rückreise anzutreten. Sie kamen am Fenster vorbei und sahen, wie der Junge sich besonders über die Keksdose freute und rief: „Mama, Papa, guckt doch mal, wie sie glänzt und glitzert,  und hmmmm, hier, probiert mal die Keks, sie sind so köstlich, nein einfach himmlisch!!“

Der Weihnachtsmann und der kleine Engel lächelten sich an: „Wie recht er hat!“ sagte der kleine Engel glücklich.

 

aus "Fanello- Klingende Fantasiereisen für Kinder" von Petra Emily Zurek - Peter Hess Verlag